Reihenfolge Verlängerunsgfaktor, Belichtungskorrektur, Lichtmessung

  • Guten Abend!

    Schön, dass das Forum wieder (und ohne Zeitverzug, alle Achtung!) offen ist. Mich wurmt folgende Frage, auf die ich in diesem Unterforum keine direkte Antwort finden konnte.
    Ich habe einen Gelbfilter mit Verlängerungsfaktor 2 vor einem ISO400-Film und weiß nicht so recht, ob folgende Überlegung für meine Nikon FE mit TTL-Beli korrekt ist?

    Ich stelle die Filmempfindlichkeit auf ISO200, damit habe ich den Verlängerungsfaktor doch schonmal „abgehakt“. Wenn ich dann die Kamera für ein Portrait startklar mache und aufs Gesicht messen will, kann ich doch schon vorher die Belichtungskorrektur auf +1 EV einstellen, um die Hautfarbe zB in Zone VI zu legen – und erst dann messen und auslösen. Oder?

    Es verunsichern mich zwei Dinge: Hier und da liest man, der Beli messe auch bei TTL gerne mal falsch, weil das Filter das Lichtspektrum verändere (oder so). Aber ausführliches habe ich dazu nicht gefunden. Aber ist nicht genau das der Existenzgrund für den Verlängerungsfaktor? Träfe das auf meine FE und das Gelbfilter zu, wäre meine Überlegung natürlich ein Holzweg.

    Klar könnt man jetzt sagen, guck doch die Nadel an. In der Tat misst sie weniger Licht, wenn ich wie eben beschrieben die Belichtungskorrektur zuerst einstelle. Aber ich trau dem Braten nicht, schließlich misst sie misst auch fröhlich weiter, wenn ich die Belichtung zwischenspeichere...

    Danke und viele Grüße

    Carsten.

    Gott grüß die Kunst!

  • Willst du den ganzen Film auf 200 ISO belichten oder nur als Ausgleichseinstellung für den Filter?
    Denn wenn du die 200 ISO nur zur Belichtungskorrektur nutzt, dann misst du falsch, solange du die Belichtungsautomatik benutzt bzw den TTL-Beli abliest.
    Denn die Belichtung wird ja durch das anders farbige und "dunklere" Licht schon schwächer angezeigt werden. Wenn du jetzt noch auf 200 ISO einstellst, den Film aber auf 400 belichtest und danach entwickelst, dann hast du eine 4-fach stärkere Belichtung.
    Bin mit Filtern noch nicht konform, aber bisher hat es immer gut gepasst, was der Beli mir sagte (mit aufgeschraubtem Filter).
    Lieber dann eine kleine Belichtungsreihe machen.

    Liebe Grüße
    Mike

    Ehrlichkeit ist die beste Kritik.

  • Ich glaube, Du bist in der Tat ein wenig auf hölzernen Pfaden unterwegs.

    Laß mich ein wenig Licht ins Dunkel dieser gar nicht so einfachen Materie bringen:

    Ein Filter, egal welcher Farbe, schluckt Licht. Die Menge des "verschluckten" Lichts ist davon abhängig, wie hell bzw. wie dicht der Filter ist. Stell Dir mal die unterschiedlichen Filter mit einem Schwarzweißfilm aufgenommen vor. Du wirst die unterschiedlichen Filter dann als eine Reihe unterschiedlich heller oder dunkler Grautöne sehen. Und je dunkler ein Filter dann wiedergegeben wird, um so mehr Licht schluckt er, um so mehr mußt Du die Belichtung verlängern, um diesen Verlust auszugleichen.

    Diesen Verlängerungsfaktor mußt Du aber nicht selbst ermitteln, den druckt der Filterhersteller meist auf den Rand der Filterfassung. Wenn da steht "2x" dann heißt das, daß Du die Belichtung verdoppeln mußt. Wir wissen aber, daß das Öffnen der Blende um einen Wert oder das Verlängern der Belichtungszeit um einen Wert eben genau die doppelte Lichtmenge auf den Film läßt.

    Ein Verlängerungsfaktor von

    2 bedeutet also: +1 Blenden- oder Zeitstufe
    3 bedeutet also: +1,5 Blenden- oder Zeitstufen
    4 bedeutet also: +2 Blenden- oder Zeitstufen
    6 bedeutet also: +2,5 Blenden- oder Zeitstufen
    8 bedeutet also: +3 Blenden- oder Zeitstufen


    Wenn Du mit der Kamera die Belichtung durch den aufgesetzten Filter mißt, dann kommt die Farbe des Filters ins Spiel. Die Meßzellen der Kamera sind für rotes Licht empfindlicher als für blaues. Das bedeutet, daß bei einem Rot- und einem Blaufilter, von denen wir annehmen, daß sie beide denselben Verlängerungsfaktor haben, die kamera bei der Messung durch den Rotfilter eine kürzere Belichtung anzeigt als bei dem Blaufilter. Während also die angegebene Lichtmenge (Produkt von Belichtungszeit und Blendenwert) beim Blaufilter zu einem korrekt belichteten Negativ führt, ist dies bei der Messung durch den Rotfilter unterbelichtet.

    Was für den Rotfilter gilt, gilt auch für Orange- und Gelbfilter. Auch hier schlägt die überhöhte Rotempfindlichkeit der Meßzellen zu.

    Beim Arbeiten mit dem Handbelichtungsmesser ist es einfach, den Fehler zu kompensieren: die Messung wird ja ohne den Filter durchgeführt und der gemessene Wert einfach um die Anzahl der je nach Filter notwendigen Belichtungsstufen verlängert.

    Willst Du aber die automatische Belichtungsstuereung der Kamera nutzen, so muß Du den Meßfehler für Deine Filter einmalig ausmessen.

    Dazu nimmst Du am besten einen grauen Karton oder einen einfarbigen, gleichmäßigen Hintergrund, z. B. eine Mauer, auf den Du die Kamera richtest. Die Kamera sollte am besten auf einem Stativ stehen, da sich mit einer Veränderung des Motivausschnitts möglicherweise auch die Helligkeit und damit die Messung verändert.

    Miß die Belichtung ohne Filter, notiere die Werte für die angezeigte korrekte Belichtung

    Miß nun die Belichtung durch den aufgesetzten Filter, notiere die Werte

    Ermittle die Differenz zwischen den beiden Belichtungen in Belichtungsstufen

    Vergleiche die Belichtungsdifferenz mit der für den Filter erforderlichen Belichtungskorrektur. Stimmt beides überein, dann ergibt die Messung durch den Filter eine korrekte Belichtung.

    Ist die Belichtungsdifferenz kleiner als der Filterkorrekturfaktor, dann führt dies zur Unterbelichtung, ist sie größer (kommt praktisch kaum vor), wird das Negativ überbelichtet.

    Die Differenz zwischen der gemessenen Belichtungsdifferenz und der erforderlichen Korrektur wird nun je nach Kamera durch Korrektur der Filmempfindlichkeit oder durch Einstellen des Belichtungskorrekturfaktors ausgeglichen. Dieser Wert ist möglicherweise für jede Filterart anders.

    Ein Beispiel:
    Kamera ohne Filter mißt 1/125 bei Blende 8
    Kamera mit Orangefilter mißt 1/60 bei Blende 8
    Differenz: 1 Belichtungsstufe

    Der Filter braucht aber (mein Erfahrungswert) eine Belichtungsverlängerung von 1,5 Blendenstufen.

    Der Meßfehler beträgt also 0,5 Blendenstufen, die es als Grundkorrektur zu kompensieren gilt.

    Dazu gibt es diese Wege:
    1) Du öffnest die Blende immer einen halben Wert weiter als vom Belichtungsmesser für die korrekte Belichtung angezeigt - das funktioniert aber nur im manuellen Modus, nicht mit aktiver Belichtungsautomatik.

    oder

    2) Du stellst die Filmempfindlichkeit um 2 ISO-Werte niedriger ein (bei Negativfilm, bei Diafilm nur 1 Wert). So wird die Belichtung um 2/3 bzw. bei Dia um 1/3 verlängert. Verlängerung um 0,5 geht nicht, da Du auf der Empflíndlichkeitsskala dies nicht einstellen kannst.

    oder

    3) Du stellst den Belichtungskorrekturhebel auf +0,5 Belichtungsstufen

    Die vom Hersteller auf den Filter aufgedruckten Korrekturfaktoren sind zudem meist zu großzügig bemessen und führen meist zu einer Überbelichtung.

    Meine seit Jahrzehnten erprobten Erfahrungswerte sind:

    Polfilter +1,5 Blenden
    Orange +1,5 Blenden
    Rot + 2,5 Blenden
    Gelb + 1 Blende
    Grün + 1 Blende
    Gelbgrün +1 Blende

    Wenn Du einen Polfilter mit einem Orangefilter kombinierst und durch dieses Filterpaket mißt, dann solltest Du nur die zusätzliche Kompensation für den Orangefiilter einstellen müssen. Da der Polfilter grau ist sollte die Messung nur durch den Polfilter ohne jede zusätzliche Korrektur zu einer richtigen Belichtung führen.

    Bei einer Kombination von 2 Filter müssen die Korrekturfaktoren in Belichtungsstufen addiert werden.
    Also: Orange- + Polfilter führt zur Belichtungsverlängerung um 3 Blenden / Belichtungsstufen

    Ich hoffe, ich habe jetzt alle Klarheiten beseitigt...

    viele Grüße
    Dieter

    "Ein besonderes Kennzeichen photographischer Reaktionen besteht auch darin — und es ist vielleicht ganz gut, einmal ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen — , daß man selbst beobachtete oder anderweitig genügend beglaubigte Tatsachen oft bei einer Nachprüfung nach Jahr und Tag nicht wieder bestätigt findet."

    (Dr. Lüppo-Cramer in seinem Buch "Die Grundlagen der photographischen Negativverfahren", Halle (Saale) 1927

  • Moin zusammen!

    Vielen Dank für die ausführlichen Antworten! Erstmal habe ich jetzt was anderes gelernt, da meine Frage im Kern auf etwas anderes zielte, dazu weiter unten; doch zunächst zu Euren Antworten.

    Tatsächlich habe ich die Kamera beim aktuellen Film auf ISO200 gestellt, um den vom Hersteller angegebenen Korrekturfaktor zu „bedienen“, da ich überwiegend mit Gelbfilter fotografiert habe/haben wollte. Die ISO200 stammen auch aus einem Messwertvergleich, wie Dieter ihn vorgeschlagen hat; er ergab übereinstimmende Werte von Hoya und dem Beli. Aber es stimmt auch, dass ich bis auf wenige Experimente noch die Zeitautomatik verwendet habe.

    Mike, fasse ich Deine Antwort richtig zusammen? Wenn der Filter schon Licht schluckt, kriegt das der TTL-Beli schon mit, so dass ich nichts weiter machen brauche. Da ich nun aber auf ISO200 gestellt habe, werden die Bilder mit Gelbfilter eine Blende zuviel Licht abbekommen haben. Krieg ich ja zu sehen, wenn die Bilder fertig sind (kann ja noch 16bit-Scan ankreuzen). Dieter, danke für das Beispiel mit dem roten und dem blauen Filter, das Mikes Antwort nochmal präzisiert. Ich kann daraus auch ableiten: Vorsicht in bestimmten Lichtsituationen, wenn zB wenig Rot oder Gelb im Licht vorhanden sind. Sehr hilfreich auch die Aufstellung der Korrekturwerte (seit 40 Jahren, habe ich andernorts gelesen).

    Warum ich nun den Filter trotzdem doppelt kompensiert habe, kann ich mir heute nicht mehr schlüssig erklären. Wahrscheinlich wollte ich das alles sehr besonders richtig machen :thumbup: .

    Nun nochmal zu meiner Eingangsfrage, den „Filterkram“ mal rausgestrichen: Wenn ich aufs Gesicht messe, landet die Gesichtshelligkeit aufgrund Beli-Eichung als mittleres Grau „in Zone V“. Europäischen Gesichtern kann man gern „eine Blende“ hinzugeben. Dies erreiche ich durch eine Belichtungskorrektur +1 EV. Muss ich erst messen und dann korrigieren, oder kann ich nicht schon beim Startklarmachen erst korrigieren und dann messen und auslösen?

    Danke und viele Grüße

    Carsten.

    Gott grüß die Kunst!

  • Muss ich erst messen und dann korrigieren, oder kann ich nicht schon beim Startklarmachen erst korrigieren und dann messen und auslösen?

    Datt is jehoppst wie jedopst, wie der Rheinländer sagt.

    Allerdings liegt mir mehr die erste Variante. Die zweite macht Dich allerdings schneller ;)

    Gruß Ralph

  • Hallo Carsten,

    ja das hast du richtig verstanden - unter dem Aspekt, dass der 400er Film auch als 400er Film entwickelt wird.

    Liebe Grüße
    Mike

    Ehrlichkeit ist die beste Kritik.